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Offener Brief zur Kritik an der Videoüberwachungsanlage im Herrngarten

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An den Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums Südhessen, Herrn Bernhard Lammel, An den Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt, Herrn Jochen Partsch, An die Mitglieder des Ausschusses für Sport und Gesundheit (einschl. öffentliche Einrichtungen und Ordnungswesen), An die Landtagsfraktionen des Hessischen Landtags, An die Mitglieder des Innenausschusses im Hessischen Landtag, An den Innenminister des Landes Hessen, Herrn Peter Beuth, An den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch,

das Polizeipräsidium Südhessen hat am 15. Januar eine mobile Videoüberwachungsanlage im Herrngarten im Bereich des Zugangs von der Schleiermacherstraße (nähe Willy-Brandt-Platz) installiert. Der Chaos Computer Club Darmstadt, das Studierendenparlament der Technischen Universität Darmstadt, die Datenschützer Rhein-Main, die Fachschaftenkonferenz der TU Darmstadt sowie die Fachschaft Informatik an der TU Darmstadt kritisieren diese Maßnahme als unverhältnismäßig und nicht zielführend. Von der Videoüberwachung sind naturgemäß nicht nur die von der Polizei verdächtigten Personengruppen betroffen, sondern alle Passant*innen. Aufgrund der besonders exponierten Lage mit viel Personenverkehr zwischen der Straßenbahnhaltestelle Willy-Brandt-Platz und dem Campus Stadtmitte der TU Darmstadt betrifft die Maßnahme in besonderem Maße auch Studierende.

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Südhessen diene der mobile Videoüberwachungsanhänger der Gefahrenabwehr. Man wolle mit dieser Maßnahme „die allgemein bekannte Drogenproblematik im Bereich des Rondells und die damit verbundenen Begleiterscheinungen“ in den Griff bekommen. Diese Begründung erscheint aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Sucht- und Drogenhilfe des Diakonischen Werkes diskussionsbedürftig.

Das Polizeipräsidium spricht auf Twitter von einer „abschreckende[n] Wirkung auf potentielle Straftäter“. Eine solche Abschreckung bleibt aber leider Wunschdenken und konnte wissenschaftlich bisher nicht belegt werden. Im besten Falle treten Verlagerungseffekte auf andere Orte auf. Jedes Video, auf dem eine Gewalttat zu sehen ist, beweist, dass Überwachung keine Gewalttaten verhindert.

Warum eine mobile Videoüberwachungsanlage in Sichtweite zum 150m entfernten Ersten Polizeirevier als geeignetes Mittel angesehen wird, ist völlig unersichtlich. Es entsteht der Eindruck, die Polizei Südhessen nutze die Örtlichkeiten zur Erprobung ihrer neu angeschafften Hardware. Genauso wie im Falle der umstrittenen Pläne zur Videoüberwachung des Luisenplatzes erschließt sich auch hier nicht, warum eine Überwachung mit technischen Mitteln einer tatsächlichen Polizeipräsenz vor Ort vorgezogen wird.

Möglich wird diese Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch die Änderungen im Hessischen Polizeigesetz (HSOG) im Rahmen der Verfassungsschutzreform im Jahr 2018. Die zuvor nötige Einstufung des zu überwachenden Ortes als „Gefahrenschwerpunkt“ ist seitdem nicht mehr nötig. Dies erlaubt das Aufstellen von Videoüberwachungstechnik auch an weniger gefährdeten Orten. Gegen die massiven Grundrechtseingriffe durch die Reform formte sich bereits 2018 Protest in einem breiten Bündnis. Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich nun mit dem Hessischen Verfassungsschutzgesetz und dem Hessischen Polizeigesetz.

Wir sind besorgt über den Trend, Videoüberwachung als Allheilmittel für mehr Sicherheit zu sehen und kritisieren die geringen Hürden zur Aufstellung eines Videoüberwachungsanhängers. Vor dem Hintergrund dieser unverhältnismäßigen Überwachung des öffentlichen Raumes, fordern wir den sofortigen Abbau der mobilen Videoüberwachungsanlage im Herrngarten!

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